Klatsch, klatsch, klatsch!
Letzte Woche fuhr ich nach Berlin, um daselbst eine Ausbildung abzuschliessen. Auf dem Weg in die deutsche Hauptstadt machte ich in Schwarzenbach an der Saale Halt. Einem Dorf mit 8’000 Einwohnern, in welchem dich die Bäcker noch mit grossen Augen anschauen, wenn du mit der Karte bezahlen willst. (Ächz). Mein Ziel waren aber nicht die hiesigen Bäckereien. Sondern das Erika-Fuchs-Haus; das Museum für Comic und Sprachkunst. Ich habe mir damit einen Kindheitstraum erfüllt. Dabei konnte ich diesen Traum als Kind noch gar nicht haben. Denn das Museum ging erst 2015 auf.
«Die wichtigsten Männer in meinem Leben waren mein Vater Karl und eine Ente in einem blauen Matrosenanzug namens Donald Duck. Die wichtigste Frau in meinem Leben war Dr. Erika Fuchs.» Dieses Zitat stammt von keiner geringeren als der deutschen Schriftstellerin und Literaturkritikerin Elke Heidenreich. Es hängt im Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach an der Saale; dem ersten deutschen Museum für Comics und Sprachkunst. Elke Heidenreich hielt auch die Laudatio, als Dr. Erika Fuchs 1994 ihre erste literarische Auszeichnung erhielt: den Kleinkunstpreis «Morenhovener Lupe».
Der Erika-Fuchs-Fan-Club
Elke Heidenreich ist nicht allein: Der weltberühmte Kriminologe Mark Benecke ist ebenso bekennender Fan von Dr. Erika Fuchs wie der österreichische Maler Gottfried Helnwein. Er nahm Erika Fuchs in seinen Gemälde-Zyklus «Die 48 bedeutendsten Frauen des Jahrhunderts» auf. Von ihm stammt auch die Aussage: «Von Donald Duck habe ich mehr gelernt als in all den Schulen, in denen ich war.» Der Musiker Farin Urlaub (Die Ärzte) verneigte sich vor Dr. Erika Fuchs, indem er ihr sein zweites Soloalbum widmete.
Nirgendwo auf der Welt ist Donald Duck so beliebt wie im deutschsprachigen Raum. Diesen Erfolg hat die cholerische Ente in erster Linie Dr. Erika Fuchs zu verdanken (* 7. Dezember 1906 in Rostock, † 22. April 2005 in München). Denn Dr. Erika Fuchs beschränkte sich nicht darauf, die Geschichten aus dem Amerikanischen zu übersetzen – sie ging frei mit dem Text um und schuf ihre eigene (Sprach)welt. Vor allem die Geschichten des legendären Disney Zeichners Carl Barks hatten es ihr angetan. Der Einfluss von Dr. Erika Fuchs auf die deutsche Sprache ist enorm. Und kann nicht genug gewürdigt werden.
Entenhausen ist weiter als die Schweiz
In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Comics belächelt, als Schund abgetan und als jugendgefährdend verdammt. Doch schon bald wurde die Qualität der kongenialen Geschichten von Carl Barks und Dr. Erika Fuchs erkannt und das Duo bekam sogar einen eigenen Fanclub, die Donaldisten. Sie schlossen sich in der D.O.N.A.L.D, der «deutschen Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus», zusammen und huldigen Dr. Erika Fuchs und Carl Barks bis zum heutigen Tag.
So haben die Donaldisten unter anderem auf Basis der Geschichten von Carl Barks in minutiöser Kleinarbeit einen Stadtplan von Entenhausen entworfen. Zudem widmen sie sich mit enormer Leidenschaft der Erforschung von Entenhausen. Die neusten Erkenntnisse werden am jährlich stattfindenden Kongress präsentiert und mit einem lautmalerischen «Hört, hört» oder «Klatsch, klatsch» quittiert. Einige Menschen, die Entenhausen besonders intensiv erforscht haben, sind auch im Museum in Kurzvideos zu sehen. Besonders hörens- und sehenswert sind die Ausführungen von Dr. Susanne Luber. Die ehemalige Präsidente der D.O.N.A.L.D ist Slawistin, Bibliothekarin und Übersetzerin. Sie macht in Entenhausen eine postfeministische Gesellschaft aus und erklärt Entenhausen flugs zum Vorbild für eine Gesellschaft, die sämtliche Geschlechterkämpfe überwunden hat.
Jede Ente hat ihre Sprache
Erika Fuchs gab jeder Ente einen eigenen Sprachstil. Der altehrwürdige Dagobert Duck, der reichste Mann der Welt, spricht stets grammatisch korrekt und weiss jeden Genitiv und jeden Konjunktiv zu setzen. Oma Duck, die mit ihrem nichtsnutzigen Knecht Franz auf einem Bauernhof in der Nähe von Entenhausen lebt und jede technische Neuerung kategorisch ablehnt, redet altertümlich. Der launische Donald Duck schwadroniert zwischen pathetischen Phrasen und Wutausbrüchen. Die Panzerknacker verängstigen die Welt mit ihrem Ganovenslang. Und Tick, Trick und Track sprechen so, wie Teenager nun mal reden. Dr. Erika Fuchs hat sich auch im hohen Alter in der Strassenbahn immer gerne in die Nähe der jungen Passagiere gesetzt, um sprachlich auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
«Die von Carl Barks gezeichnete Stadt Duckburg ist ein wundersamer Kosmos. Sie wird bewohnt von sprechenden Tieren mit Fell oder Gefieder, die Kleider oder Schuhe tragen. Das kann man erstaunlich finden – aber Duckburg, folgt eben, wie jede Comicwelt, eigenen Regeln. Dr. Erika Fuchs macht in ihren Übersetzungen aus Duckburg Entenhausen. Sie streicht alles Amerikanische und entwirft eine deutsche Version. Das geht bis in die kleinsten Details: Orte, Personen und Dinge bekommen neue Namen und Hinweise auf die amerikanische Kultur verschwinden. So entsteht der Kosmos Entenhausen.» (Originaltext einer Infotafel im Erika-Fuchs-Haus).
Der Erikativ
Erika Fuchs schrieb Entenhausen nach Oberfranken. Sie benannte Berge, Orte und Seen nach realen Örtlichkeiten und setzte ihrer Heimat viele kleine und grössere Denkmäler: Onkel Dagobert besitzt einen Skilift am Ochsenkopf, Familie Duck macht Ferien am Fichtelsee und die Neffen rodeln im Paulahölzchen. Ortsnamen wie Bobengrün, Kleinschloppen oder Schnarchenreuth fand Erika Fuchs in der nahen und weiteren Umgebung von Schwarzbach. Darüber hinaus setzte sie vielen Ärzten, Geschäften und Handwerkern ihrer Heimatstadt ein literarisches Denkmal, indem sie ihre Namen in die Welt von Entenhausen übernahm.
Berühmt wurde Dr. Erika Fuchs nicht zuletzt für ihren Inflektiv; zu ihren Ehren auch Erikativ genannt – die Reduktion von Verben auf ihren Stamm. Etwas, das in der deutschen Sprache eigentlich gar nicht ging – bis Dr. Erika Fuchs das Unmögliche möglich machte. Heute sind grübel, klatsch und studier fester Bestandteil der deutschen Alltagssprache. Auch Lautmalereien wie peng gehen auf Dr. Erika Fuchs zurück. Darüber hinaus hat die blitzgescheite Übersetzerin, die unter anderem auch in Lausanne studierte, immer wieder Zitate von Goethe, Schiller, Wilhelm Busch und anderen in ihre Geschichten eingebaut. Meine absolute Lieblingssprechblase von Tick, Trick und Track (in Anlehnung an Schiller und den Rütlischwur): «Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern. In keiner Not uns waschen und Gefahr».
Grossartig!
Erika-Fuchs-Haus
Museum für Comic und Sprachkunst
Bahnhofstrasse 12
D.95126 Schwarzenbach a. d. Saale
erika-fuchs.de
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Der Erikativ