Gute Werbung: Aromat

Früher war alles besser. Viel besser. Vor allem die Werbung. Im Kino war es egal, welcher Film lief. Schliesslich kam vor dem eigentlichen Film ja der Migros-Spot. Und der war in der Regel gut. Richtig gut. In 99,9 % der Fälle sogar besser als der Hauptfilm. Auch die legendären Inserate von «Weber, Harbeke» waren schlichtweg genial: Auf einer 1/1 Seite wurden Artikel aus dem Migros-Sortiment beworben.

Zum Beispiel Werkzeug. Unten rechts kam dann die Überraschung: Ein Artikel samt Preis, der auf den ersten Blick überhaupt nicht zu den übrigen Produkten passte. Auf den zweiten Blick aber eine witzige Story erzählte. Und das erst noch ohne ein einziges Wort. Die Pointe entstand allein im Kopf der Betrachter:innen. Wenn ich mich recht erinnere, war es bei den Werkzeugen ein Heftpflaster. Natürlich ebenfalls mit Preis. «Weber, Harbeke» hat es geschafft, den Betrachter:innen mit jeder einzelnen Anzeige ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Und genau das soll Werbung ja auch.

Und heute? Heute ist Werbung glatt poliert und kantenlos. Sonst gibt’s nämlich einen Shitstorm. Und den fürchten die meisten Unternehmen wie der Teufel das Weihwasser. Cancel Culture heisst das auf Neudeutsch. Sie besteht darin, dass eine Handvoll selbsternannter Moralapostel dauerempört ist. Und diese Dauerempörtheit lautstark in die Welt hinaus brüllt. Vorzugsweise auf Social Media.

Als die Migros diesen Frühling auf einem Plakat einen braunen und einen weissen Osterhasen abbildete und «Diversity» darüber schrieb, war die Empörung gross. Ich fand das Plakat witzig. Weil es einen Begriff verwendet, der in aller Munde ist, und diesen auf neue, überraschende Art und Weise dramatisiert. Umso beeindruckter bin ich, wenn eine Agentur heute noch richtig gute Werbung macht. Mein Kompliment des Monats geht diesmal an die Agentur Streuplan.

Aromat ist in der Schweiz bekanntlich Kult. Und nicht wenige Eidgenoss:innen fahren nicht ohne das gelbe Pulver in die Ferien. Selbstredend, dass Aromat beim Eiertütschis genauso wenig fehlen darf wie die braunen und weissen Hasen im Osternäschtli. Nun kann es ja durchaus passieren, dass jemand vergisst, Aromat einzukaufen. Oder dass jemand die Dose geleert und die Beschaffung einer neuen Dose nicht auf den Einkaufszettel geschrieben hat (an dieser Stelle herzliche Grüsse an meine beiden Jungs). In vielen Schweizer Familien eine echte Tragödie. Wenn nicht sogar ein absoluter Notfall.

Streuplan hat diesen Gedanken aufgenommen und auf überaus witzige Art und Weise überspitzt. Ein Notfallplakat mit einer Dose Aromat hinter einer Scheibe. Wie geil ist das denn? Besser, intelligenter und witziger kann man die Abhängigkeit von Herr und Frau Schweizer von der gelben Kultwürze wohl nicht dramatisieren. Und das Allerbeste an dieser Kampagne: Sie hat tatsächlich funktioniert! Die Menschen auf dem Sechseläuten-Platz in Zürich und an anderen neuralgischen Standorten haben die Scheibe tatsächlich eingeschlagen und die Dose mitgenommen! Was ich selbstverständlich auch getan hätte, wenn ein solches Plakat nicht nur an der Limmat, sondern auch am Rhein aufgestellt worden wäre.

Grossartig!