Motivieren statt verbieten

Keine Frage: Abfall ist unschön. Und zwar immer. Und überall. Aus diesem Grund stellen die Gemeinden auf ihrem Hoheitsgebiet auch an jeder Ecke Abfalleimer auf. Und weil es leider noch immer Däppen Menschen gibt, die ihre Abfälle trotz dieser kostenlosen Entsorgungsmöglichkeit achtlos wegwerfen, versehen sie diese Abfalleimer mit allerlei Hinweisen. Auch Verbote genannt. Gerne auch auf Neudeutsch. Wie vor meiner Fabrik in Eglisau. «Stop Littering» steht da, weil wir im Zürcher Unterland ja alle Neudeutsch reden.

Mein Lieblings-Abfalleimer (ja, ja so was habe ich!) steht aber nicht am Ufer des Rheins, sondern vor der Post in Herrliberg an der Goldküste. «Ich bin kein Papierkorb, sondern ein Abfallkübel» steht da in wütenden Buchstaben auf einem Blatt Kopierpapier geschrieben, das jemand hochprofessionell mit Tesa an eben diesem Abfalleimer, der kein Papierkorb ist, geklebt hat. Und weil die Menschen in Herrliberg bekannterweise überdurchschnittlich doof sind, ist das kein Papierkorb auch noch rot unterstrichen.

Ein Abfallkübel ist kein Papierkorb

Obwohl ich mich mit Buchstaben einigermassen auskenne, hatte ich gefühlte 3 Minuten und 20 Sekunden, bis ich verstand, was mir dieser Text sagen will. Meine lange Leitung hat natürlich viel damit zu tun, dass wir in der Schweiz keinen grossen Unterschied zwischen «Abfallkübel» und «Papierkorb» machen. Was natürlich falsch ist. Ein Papierkorb ist definitiv kein Abfallkübel. Da hat die Gemeinde Herrliberg schon recht. Die Frage ist, ob ein Papierkorb vor der Post der richtige Ort ist, um die Bevölkerung zu erziehen. Und ihr auf dem zweiten Bildungsweg beizubringen, dass es einen Unterschied zwischen einem Abfallkorb und einem Papierkorb gibt.

Nach weiteren 7 Minuten und 40 Sekunden hat’s dann auch bei mir klick gemacht: Vermutlich werfen die Menschen, die ihre Post im Postfach auf der Post abgeholt haben, auf dem Weg zum Auto allerlei Gratiszeitungen und Werbung in eben diesen Abfallkorb, der doch gar kein Papierkorb nicht ist! Stellt sich die nächste Frage: Wäre es nicht einfacher, in der Post eine Box aufzustellen, in die man Gratiszeitungen und Werbung legen kann? Das würde auf der einen Seite ein fachgerechtes Recycling ermöglichen. Und auf der anderen Seite den überlasteten Abfallkübel von unerwünschten Papierkram befreien. Also eine Lösung anbieten, statt die Welt mit unverständlichen Verboten zuzupflastern.

Ein Abfallkübel ist auch ein Papierkorb

Ich habe mich lange Zeit gefragt, ob man einen Abfalleimer so beschriften kann, dass die Leute gar nicht erst auf die Idee kommen, ihren Müll wegzuwerfen. Und ihren Abfall geradezu mit Begeisterung in die dafür vorgesehenen Behälter werfen. Ein Ding der Unmöglichkeit? Mitnichten! Auf dem Höhenweg von Erlenbach nach Stäfa bin ich auf Höhe Männedorf einer ganzen Reihe von Abfalleimern begegnet, die allesamt mit witzigen Texten beschriftete waren. «Auch für Erwachsene geeignet», zum Beispiel. Oder «Ab ins Körbchen». Mein absoluter Liebling: «Ihre Papiere, bitte!». Statt wie in Eglisau oder Herrliberg beim Lesen der behördlichen Anordnungen zusammenzuzucken, grinse ich übers ganze Gesicht. Nein, bei einer so witzigen Aufforderung, werfe ich meinen Abfall garantiert nicht auf den Boden! Sondern, ganz im Gegenteil, voller Stolz und mit einem Lächeln in diesen Abfallkübel, der offensichtlich auch ein Papierkorb ist.

Grossartig!